15. September 2012: Tag der Rekorde . . .

Ihr lieben werdet das erst irgendwann lesen können, denn unser Übernachtungsparadies liegt ausserhalb der modernen koreanischen Welt, eben auch ohne WiFi.
Heute sollte sich ein ‚Nebenziel‘ unserer Reise erfüllen: der Besuch des Hae-In-Sa-Tempels, 802 gegründet und einer der einflussreicheren Tempel des koreanischen Buddhismus. Er liegt ziemlich abgelegen in einem steilen, dicht bewaldeten Gebirge, ziemlich ab vom Schuss – vielleicht etwa so wie U.L.Frau im Finstern Wald zu Einsiedeln vor 1200 Jahren. Man hat uns abgeraten, die etwa 20minütige Busreise mit einmal umsteigen allein dorthin zu unternehmen und vor allem verriet uns niemand, wo man hätte umsteigen sollen. Wir waren also gezwungen, das sehr verbreitete Taxi-Wesen in Anspruch zu nehmen. Schon hielt der erste an, ich radebrechte ‚Haeinsa‘ (man spricht das durchaus anders aus als geschrieben),der Taxifahrer verstand, streckte mir mit beiden Händen zweimal einige Finger entgegen, was 66’000 Won hiess. Schon auf unserer Korea-Karte hatten wir nämlich unsere Zweifel, dass das mit den 20 Minuten Busfahrt kaum stimmen konnte. 66’000 W (etwa 55 Fr.) ist zwar nicht alle Welt, aber unsere Bargeldreserve schwand und schwand, weil man lange nicht überall mit Karte zahlen kann. Wir stiegen also ein – zurück konnten wir ja dann immer noch mit dem billigeren Bus. Der Fahrer sauste los, schnell, sehr schnell, blitzschnell, brutal blitzschnell. Und fuhr uns in richtiger Richtung, soviel konnten wir auf der Karte verfolgen. Nach einer knappen Stunde waren wir also in einem wildromantischen Tal angelangt und sahen schon übrall in der Landschaft verstreut Tempel. Eine solche Anlage aus über 1200 Jahren Geschichte besteht aus einem kaum überblickbaren Geflecht von Haupttempel und Nebentempel und Abspaltungen und Gründungen von Schülern und Einsiedeleien und Erinnerungsmälern und und und. Sehr anders als ein christliches Kloster. Wir haben euch die Übersichtskarte fotografiert. Sehr viele fröhlich gestimmte Menschen, vor allem viele Kinder gingen den 1 Km langen Weg den Walh hoch, vorbei an vielen Ständen mit getrocknete Pilzen und Kräutern und grünen Pulvern, alles Bestandteile der traditionellen Heil-Ernährung. Ein Weg stieg dann hoch zum Tempeltor mit den 4 Himmelswächtern, die das Böse vom Tempel fernhalten sollten. Dann eine steile Granittreppe hoch durch das Nirwanator und wir standen im ersten Innenhof mit Brunnen zur Reinigung, ‚Glockenturm‘ mit Gong, drei Meter hoher Bronzeglocke und Trommel. Die Mönche gehen mit der Zeit: wer entdeckt auf der Foto die digitale Uhr ? Auf dem Platz war ein Vierfachlabyrint in Form einer Swastika (das was die Nazis als Hackenkreuz missbrauchten) angelegt, durch das Gläubige andächtig betend durchschritten und Kinder weniger andächtig rannten. Doch wir wollten höher hinaus: nach der nächsten Treppe kam die Buddha-Halle, quasi die Kirche mit 5 Buddha-Statuen, wo Frauen opferten und Buddha verehrten. Fotografieren zum Glück verboten. Doch wir wollten noch höher hinaus: zu unserem Ziel, der Tripitaca Koreana. Das ist die grösste verbindliche Textsammlung des Buddhismus, 1011 begonnen. Die Texte wurden in Holzplatten geschnitzt und dann gedruckt. Um 1200 verbrannte alles währen der Mongoleneinfälle. Auf königliches Geheiss wurde das ganze von 1236 – 1251 ein zweites Mal geschaffen. Das ganze heisst: die 70 cm langen Holztafeln aus Bergkirsche (= ca. 14 Hektaren reiner Kirschenwald !) wurden 7 Jahre lang in Meerwasser und Wind vorbehandelt, damit sie fäulnisresistent wurden. Dann wurden in den 16 Jahren 81’350 (!!!!!!!!! ) Tafeln auf beiden Seiten mit je ca. 444 chinesischen Zeichen behauen, gesamt über 52 Millionen Zeichen. Wenn ein Mönch 5 Minuten pro Zeichen schnitzt, waren fast 100 Mönche 16 Jahre mit 8Stunden pro Tag am Schnitzen, ohne Freitage . . . Bis heute wurde kein Fehler entdeckt !
Und diese Tafeln lagern hier im Tempel, seit 1398. Keine fehlt. Hoch streng bewacht, mit Wächtern, Kameras an allen Ecken. Rauchen verboten. Fotografieren verboten. Staunen erlaubt. Und noch einmal staunen. Und noch einmal. Zu was Menschen fähig sind. Und ganz klein werden, wenn man stolz darauf war, auch schon ein 32-Seiten-Buch gesetzt und gedruckt zu haben.
Dann wollten wir raus, überwältigt von so viel ! Wir hatten nämlich gesehen, dass ein Gipfel Songwongbang mit 4 km angegeben war. Das müsste doch ein schöner Nachmittagsspaziergang geben, eine Stunde hoch, eine knappe zurück, und dann noch ins Museum, wo man selber einen Handdruck machen könne. Wir zogen also los, einem lauschigen Bergbach entlang, Wälder mit Bambus im Unterholz, alles feucht-warm-wüchsig-wuchernd, und voller Pilze. Hans-Ueli meinte nur, jetzt sei er botanischer Analphabet und strahlte dann doch, als er kurz darauf eine Tanne und eine Japanlärche entdeckte. Der Weg war steil und voller grosser Steine, ziemlich mühselig. Uns kamen immer mehr koreanische Wanderer in Hochgebirgsausrüstung entgegen, die meisten sahen ziemlich geschafft aus. Und wir mühten uns weiter, diese traumhafte Schlucht hoch. Irgendwann kam eine Tafel, wir hätten 1,2 km von den 4 gemacht. ! ? !! Nach 5/4 Stunden wurde der Wald etwas lichter und man sah Nebel über sich und weit in der Ferne schemenhaft, wie ein japanisches Tuschbild, einen hohen Berg. Und immer mehr Koreaner kamen uns entgegen. Wenigstens konnten wir bis am Abend den koreanischen Gruss ‚anassjoo‘. Es ging weiter über Felsen, immer steiler, mit grossen Tritten. Ob Wanderstöcke nicht vielleicht doch gescheit gewesen wären ? Nach zwei Stunden langten wir auf einem Sattel an. Eine andere ganz fröhliche Gruppe wartete da und eine der Frauen verteilte Bonbons. Selbstverständlich streckte sie uns zwei, den ganzen Weg schon Staunen erregenden Bartlis auch welche hin. Ob der koreanische Berggeist wohl so ausschaut wie wir ? Kaum das Bonbon in unserem Mund, wuchtete eine Aromaberg-und Talfahrt los, irgend etwas zwischen Enzianschnaps und Appenzeller Bitter. Und setzte letzte Kräfte für den felsigen Gipfelsturm frei. Wunderschöner runder Granit, der Gipfel. Angeschrieben. 1430 Meter hoch. Wir sind in zweieinhalb Stunden über 1000 Meter aufgestiegen. Und die 4 km waren wahrscheinlich Luftlinienkilometer und keine Distanzkilometer gewesen. Das Panorama hätte, wie das Bild auf dem Gipfel zeigte, überwältigend sein müssen. Hätte. Wir steckten in dichtestem Nebel. Runter ging es dann flotter. Gerne hätten wir eine der raren Bengalischen Bergkatzen, deretwegen der Berg Nationalpark war, gesehen, doch die wollten keine Berggeister sehen. Und das Museum war dann auch schon zu. Also kein Originaldruck. Training ins buddhistische Loslassen ? Der letzte Bus war auch schon losgelassen, ohne uns. Also ein Taxi und damit so weit, wie das verbliebene Geld noch reichte, nach Hapcheon. Da wollten wir an den Bankomaten einer Bank. Doch wir fanden keinen. Schliesslich riefen wir in mittlerer Verzweiflung Chin Im am. Sie wollte sofort eine digitale Notfallüberweisung machen, aber eben nach Samga zu unseren Gastgebern und nicht zu uns nach Hapcheon. Sie meinte, Bankomaten müsse es überall geben. Wir irrten weiter durch die Strassen, erfolglos. Dann versuchten wir’s am Busbahnhof, vielleicht mit Kartenzahlung noch ein Billet nach Samga zu kriegen. Schalter zu, kein Bus mehr. Schliesslich beobachtete Hans-Ueli einen Mann an einem Getränkeautomatenähnlichen Plastikhäuslein, dass der unten Geld entnahm. Blitzschnell hin, tatsächlich Knopf ‚English‘, erste Karte Misserfolg, zweite erfolgreich und um 100’000 Won reicher. Blitzschnell zum nächsten Taxi und der blitzschnell mit uns nach Samga zurück. Blitzschnell hiess: auf der 80er-Strecke mindestens 120; als er die Geschwindigkeitskontrolle der Polizei abgehängt hatte ( da hat er kurz gedrosselt) flogen wir mit 140 kmh ! durchs Land. Neuer Taxirekord für uns, denn schliesslich ist Zeit Geld, auch in Korea. Denn die Taxometerzähler rasen in Samsungland mit 10.-Sekunden.

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